Steinbewachsene Torsi
Künstler: Wolf Bröll (1950-2016), Mandelbeck bei Northeim
Ort: Links und rechts der beiden Eingänge zum Börnerviertel, in der Roten Straße 16 und der Barfüßer Straße 12/13.
Objekt: vier Diabassteine, aufgestellt 2000
Zuständigkeit: Fachdienst Kultur der Stadt Göttingen
In Kooperation mit Heinz Peter Adams wurden die vier 1,70 Meter bis 1,90 Meter hohen Plastiken mit einem Gewicht von jeweils einer Tonne auf fundamentierten Sandsteinsockeln von der Stadt Göttingen im Mai 2000 aufgestellt.
Die vier lebensgroßen Steinskulpturen, die paarweise die beiden Eingänge zum Börnerviertel flankieren, sind in Material und Art der Bearbeitung einander ähnlich. Direkt aus dem Stein herausgeschlagen, gleicht jedoch keine in ihrer konkreten Gestalt der anderen. Variantenreich kommt die Bearbeitung des Steinblocks an immer wieder anderer Stelle der Gestaltformulierung unvermittelt zum Halt.
Wolf Bröll, der bis 1979 als Fotograf tätig war, bevor er an der Hochschule für Bildende Kunst in Berlin und in Kassel Bildhauerei studierte, liebt nicht nur den schwarzen Stein, der sich durch den starken Gegensatz zwischen seinen unbehandelten Oberflächen und einer weichen glänzenden Politur auszeichnet. Bröll ist ein Künstler des In-Finito, des Unvollendeten. Er lässt die Figur, die Michelangelo im Stein gefangen sah, und von der er behauptete, dass es nur den Künstler bräuchte, der die überflüssigen Stücke abschlage, um sie zu befreien, unerlöst. Ihn interessiert vielmehr der Gegensatz zwischen dem bearbeiteten Stein als Ausweis einer kulturellen Leistung und den unbearbeiteten Partien des Naturproduktes. Dass die Bildhauerei das eigentliche Thema ist, um das Bröll mit seinen Werkzyklen kreist, wird allein schon daraus ersichtlich, dass er sich immer wieder den menschlichen Torso zur Darstellung wählt. Es ist der Körper, der zum plastischen Fragment reduziert, davon befreit wird, Geschichten zu erzählen, tagespolitische Position zu beziehen oder Personen abzubilden. Genau diese Unabhängigkeit von thematischen oder motivischen Zwängen sichert dem Torso seine Zeitlosigkeit. Er ist ganz und gar ein Phänomen der Form, dem sich der Bildhauer Wolf Bröll mit allen technischen Mitteln und allen gestalterischen Finessen immer wieder neu annähert, ohne es je endgültig lösen zu wollen.
"Der von dem Künstler bevorzugte Stein Diabas verhüllt nicht das Spröde des Materials und zeigt den Widerstand gegenüber der Bearbeitung durch den Bildhauer. Der Künstler selbst bezeichnet den Diabas mit Respekt als "seinen schwarzen Stein". Dieses Material zu formen und zu bearbeiten, weist auf eine weitere Entscheidung des Künstlers: Die eigene Welt des Steines wird demonstriert, aus der das Skulpturale erwächst, Gegensätze im Stein (InnenAußen, Konvex-Konkav, Rauh-Poliert) bilden eine harmonische Ganzheit."
(Frank Eckart, in Wolf Bröll: Skulpturen im öffentlichen Raum, Schanbacher Art International, Freudenstadt und Lübeck, 1996)
Siehe auch:
Mensch und Wissenschaft
Woda Nie Zna Granic – Wasser kennt keine Grenzen
Skulpturenensemble Wolf Bröll