Doppelkentaur
Künstler: Uwe Appold (*1942), Flensburg
Ort: Hiroshimaplatz 1-4, Neues Rathaus / Vorplatz
Objekt: schwarz lackierter Stahl, 1982 (aufgestellt 1985)
Zuständigkeit: Fachdienst Kultur der Stadt Göttingen
Der Krieg ist von heimtückischem Wesen. Den Kentaur beschreibt die griechische Mythologie als mischgestaltiges Fabelwesen und belegt ihn mit der Charaktereigenschaft der Heimtücke gepaart mit maßloser Triebhaftigkeit.
Uwe Appold, als Maler und Bildhauer eine feste Größe in der Kunstlandschaft Schleswig-Holsteins, nimmt mit seinem Werken neben theologischen, mythologischen oder historischen Themen gezielt immer wieder die „Anatomie der menschlichen Destruktivität“ in den Blick. Für sein Mahnmahl für die zivilen Opfer der Bombenangriffe auf Wilhelmshaven erhielt der Künstler, der bis 2006 an der Flensburger Fachschule für Technik und Gestaltung lehrte, den Kulturpreis seiner Heimatstadt (1985).
Auch Appolds Göttinger Doppelkentaur, mit über fünf Meter Höhe und 800 Kilogramm Metallgewicht, sperrt sich gegen die gestalterische Heroisierung des Krieges. Da ist keine Haut, kein Kopf, noch nicht mal Hand und Fuß, sondern nur noch Rüstung, die wie ein Panzer die ganze Skulptur überzieht. Dennoch wirkt die Metallmontage, zusammengefügt aus Attributen der Macht, wenig wehrhaft. Sie ist durchlöchert, durchbohrt, von innen marode und, so scheint es, zutiefst verletzt. Die militante Metamorphose wird von Appold als beängstigende, selbstzerstörerische Verfremdung enttarnt. Der monströse Mutant aus Mensch und Pferd entpuppt sich als ein bitterer Gegenentwurf zum klassischen Reiterstandbild. Gleich doppelt, als Hybrid aus torsohaft verstümmelter Reitergestalt und als stählerne Kriegsmaschinerie mit Eigendynamik, führt die Skulptur die Deformation und Entgrenzung des Menschenbildes vor Augen, die Krieg mit sich bringt.
1985 wurde der Doppelkentaur zum ersten Mal in Göttingen ausgestellt, nur zwei Jahre danach mit finanzieller Unterstützung einer Bürgerinitiative für die Stadt angekauft. Die Gegenstimmen gegen Ankauf und Aufstellung des „abstoßenden Kadavers“ waren zahlreich.
Die Skulptur ist ein Mahnmal gegen den Krieg, gewissermaßen die pazifistische Variante des klassischen Reiterstandbildes.
Patenschaft: Ratsfraktion GAL / Die Grünen
Aus Anlass des 25-jährigen Jubiläums des Ankaufs des „Doppelkentaur“ schenkt Uwe Appold der Stadt Göttingen den 25teiligen Collagen-Zyklus „Deutsche Wohnungen“, der in einer Ausstellung im Foyer des Neuen Rathauses präsentiert wurde. Mit der Schenkung möchte der Künstler die große Unterstützung engagierter Göttinger Bürgerinnen und Bürger bei dem seinerzeit umstrittenen Ankauf des „Doppelkentaur“ würdigen.
Originalgetreue Farbkopien (100 x 70 Zentimeter) des 25-teiligen Zyklus „Deutsche Wohnungen“ können von Schulen und interessierten Einrichtungen ausgeliehen werden (Kontakt: kultur@goettingen.de).
Zu Uwe Appold siehe auch:
Collagen-Zyklus "Deutsche Wohnungen"