Der Fluss des Möbius
Künstler: Willy Weiner (*1954), Zusmarshausen / Bayern
Ort: aufgestellt 2012, Geismar Landstraße 11, Südterrasse der historischen Sternwarte
Objekt: Stahlplastik, 2001, Cortenstahl & Lackfarbe
Mathematisch definiert sich das Metallobjekt des süddeutschen Künstlers Willi Weiner, das seit 2012 auf der Südterrasse der historischen Sternwarte lagert, als Möbiusband. Es bietet in klassischer Ausformung eine Fläche ohne Kante. Der rotbraune Rostanflug und der auffällig türkisblaue Lackstreifen auf der Schmalseite erinnern allerdings weniger an eine mathematisch bestimmte Flächengestalt als an einen Flusslauf, der durch erdige Landschaft mäandriert. Auch der vom Künstler als Erläuterung mitgegebene Titel „Der Fluss des Möbius“ weist auf den Übergang von mathematischer Denkfigur – dem Möbiusband – zu plastischer Landschaftsdarstellung – dem Flusslauf. Damit besitzt Göttingen, mit der nur 64 Zentimeter hohen, 214 Zentimeter langen und 114 Zentimeter breiten Plastik aus Cortenstahl eines der programmatischen Werke von Willi Weiner.
Der Bildhauer, der in Augsburg studierte und mit seiner Kunst durch Reisestipendien (Villa Massimo) und ausgedehnte Arbeitsaufenthalte gleichermaßen in Italien, Jütland und Japan zu Hause ist, verschweißt einen Millimeter schmale Stahlblechstücke zu dünnwandigen, in sich geschlossenen Hohlkörpern, die nicht die Masse eines Körpers, sondern die ihn umspannende Oberfläche und deren Gestaltung in den Vordergrund stellen. Selten ist Landschaft in der klassischen Bildhauerei als Phänomen räumlicher und flächenhafter Erstreckung zum Motiv eines plastischen Werkes geworden. Noch seltener Wasser, das geradezu im krassen Gegensatz zu jedem Versuch einer gestalterischen, statischen Verdichtung steht. Für Weiner sind das jedoch die zentralen Themen seiner Kunst. Er bringt sie in dem Göttinger Bodenobjekt, das landschaftliche Ausdehnung und fließende Beweglichkeit in die Form des in sich selbst zurück gebogenen Möbiusbandes einschreibt, plastisch zur Anschauung.
Vor der Sternwarte hat die Form des metallenen Hohlkörpers einen historisch begründeten Platz gefunden.
Von 1813 bis 1814 studierte August Ferdinand Möbius in Göttingen und zudem war es der Göttinger Johann Benedict Listing, der zeitgleich (1885) mit dem Namensgeber des Bandes, aber unabhängig von ihm, dessen besondere Eigenschaften beschrieb.