Stolpersteine für Familie Meyerstein (Obere Maschstraße 10)
Stolpersteine für Familie Meyerstein (Paula, Hugo, Ludwig, Georg)
Obere Maschstraße 10
verlegt am 10. Februar 2016
Hugo Meyerstein wurde am 4. April 1891 in Bremke als Sohn des Viehhändlers Magnus L.
Meyerstein und seiner Frau Bertha geboren. 1913 zog er nach Göttingen, wo er (wohl aufgrund finanzieller Schwierigkeiten) mehrmals umzog. Zuletzt wohnte er in der Nähe der Synagoge, Obere-Masch-Straße 10. Er heiratete 1919 Paula Jaretzki aus Posen und hatte mit ihr vier Kinder, Ludwig, Hertha, Erich und Georg.
In der Roten Straße, wo er zeitweise auch mit seiner Familie wohnte, führte er eine Viehhandlung. Der gegen jüdische Kaufleute ausgeübte Druck führte das ohnehin stark angeschlagene Unternehmen in den Ruin und Hugo Meyersteins Immobilien in der Roten Straße wurden Stück für Stück zwangsversteigert. Am 1. Januar 1937 wurde der Betrieb der Viehhandlung eingestellt und ab dem Februar verdingte sich Hugo Meyerstein mehrere Jahre als Arbeiter bei verschiedenen Baufirmen und dem Stadtbauamt. Ab März 1941 schlug er sich weiter als Tiefbauhelfer durch, diesmal als Zwangsarbeiter in der sog. Judenkolonne der Hoch- und Tiefbaufirma August Drege. Die Firma reparierte damals die Hochwasserschäden am Flüthedamm. Am 20. März 1942 wurde Hugo Meyerstein - wie alle jüdischen Zwangsarbeiter bei August Drege - entlassen, da ihre Deportation unmittelbar bevorstand. Am 26. März wurde Hugo Meyerstein zusammen mit seiner Frau und zwei Söhnen über das Sammellager Hannover-Ahlem und das Durchgangslager Trawniki (Lublin) ins Warschauer Ghetto verschleppt. Seitdem verliert sich seine Spur. Er ist entweder in Warschau gestorben oder (sofern er das Ghetto überlebt hat) in Treblinka ermordet worden.
Paula Meyerstein wurde am 2. März 1890 in Posen (heute Polen) geboren. Sie heiratete 1919 den Viehhändler Hugo Meyerstein, zog zu ihm nach Göttingen und gebar ihm vier Kinder, drei Söhne und eine Tochter. Die Familie wohnte zunächst in der Roten Straße, wo Hugo Meyerstein eine Viehhandlung besaß. Da dieser in der Wirtschaftskrise einen Offenbarungseid leisten musste und seine Geschäftsfähigkeit verlor, war die Viehhandlung ab 1931 auf den Namen von Paula Meyerstein angemeldet. Finanzielle Probleme zwangen die Familie umzuziehen, zunächst in die Königsallee 35 (1932), dann in das jüdische Gemeindewohnhaus in der Oberen Masch-Straße 10 (1933-1942). Am 26. März 1942 wurde Paula Meyerstein zusammen mit ihrem Mann und zwei ihrer Söhne (Ludwig und Georg) über Hannover-Ahlem und Trawniki ins Warschauer Ghetto deportiert. Seitdem ist ihr Schicksal unbekannt. Es kann davon ausgegangen werden, dass sie entweder in Warschau starb oder mit den anderen Überlebenden des Ghettos in Treblinka ermordet wurde.
Ludwig Meyerstein wurde am 29. Juni 1920 in Göttingen als Sohn des Viehhändlers Hugo Meyerstein und seiner Ehefrau Paula geboren. Als Kind zog er mit seinen Eltern mehrmals in Göttingen um, verließ allerdings später zunächst Göttingen Richtung Berlin, wo er die Monate zwischen Juli 1936 und Februar 1937 verbrachte. Er kehrt anschließend nach Göttingen zurück, wo er zwischen Mai 1938 und Juli 1940 bei der Tiefbaufirma August Drege arbeitete. Am 13. Juli 1940 wurde er in das Lager „Am grünen Weg“ in Paderborn eingewiesen. Die Insassen dieses Lagers wurden in der Straßenreinigung und Müllabfuhr eingesetzt. Ab dem 22. September 1940 war er Zwangsarbeiter in der jüdischen Arbeitseinsatzstelle Schloßhofstraße 73a in Bielefeld. Dort verrichtete er weiterhin Schwerstarbeit im Straßen-, Tief– und Gleisbau. Am 20. März 1942 wurde er von der Gestapo zurück nach Göttingen in die elterliche Wohnung (Obere- Masch-Straße 10) entlassen. Grund dafür war die unmittelbar bevorstehende Deportation der Göttinger Juden.
Der Transport der 79 Personen startete am 26. März 1942 vom Albani-Kirchhof zunächst zu Fuß durch die Stadt zum Bahnhof, dann mit dem Zug Richtung Hannover-Ahlem. Von dort erfolgte ihre Verlegung ins Warschauer Ghetto. Eine Jüdin, die Ludwig Meyerstein aus dem Bielefelder Lager kannte, glaubt ihn später noch in Auschwitz gesehen zu haben. Ludwig Meyerstein blieb nach seiner Deportation verschollen und ist entweder in Warschau gestorben oder in Treblinka bzw. Auschwitz ermordet worden. Er war 22 oder 23 Jahre alt.
Georg Meyerstein wurde am 13. Februar 1928 in Göttingen als Kind des Viehhändlers Hugo Meyerstein und seiner Frau Paula geboren. Er war zur Zeit des Machtantritts der Nationalsozialisten noch ein Kind und lebte mit seinen Eltern in Göttingen, zuletzt in einem Haus der jüdischen Gemeinde, in der Oberen-Masch-Straße 10. Er wurde als Jude schon unmittelbar nach der sog. „Reichskristallnacht“ von seinem Lehrer in der Lutherschule vom Unterricht ausgeschlossen, eine Maßnahme, die kurz darauf (15. November 1938) reichsweit durch Weisung des Reichserziehungsministers Rust für alle jüdischen Schülerinnen und Schüler durchgesetzt wurde. Ab Januar 1940 wurde er zusammen mit neun weiteren Kindern vom jüdischen Lehrer Heinz Junger privat unterrichtet. Dieser von der jüdischen Gemeinde organisierte Schulersatz wurde bis April 1941 geduldet, anschließend jedoch verboten und eingestellt.
Georg Meyerstein wurde wahrscheinlich am 26. März 1942 zusammen mit seinen Eltern zunächst ins Sammellager Hannover-Ahlem gebracht und anschließend über Trawniki in das Warschauer Ghetto deportiert. Sein weiterer Verbleib ist unbekannt. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist er in Warschau gestorben oder (sofern er das Ghetto überlebt hat) in Treblinka ermordet worden. Er war gerade 14 oder 15 Jahre alt.
(Text: Schüler/innen des Otto-Hahn-Gymnasiums (OHG) Göttingen, 10. Februar 2016)