Stolpersteine für Familie Katz
Stolpersteine für Familie Katz (Leopold, Mathilde, Rosa, Ludolf)
Groner Straße 9
verlegt am 17. März 2015
Leopold Katz wurde 1875 in Kestrich bei Alsfeld in Hessen geboren, er hatte einen Bruder, Moses. Sein Vater besaß ein Manufakturwarengeschäft, das heißt er handelte mit Stoffen. Nach dem frühen Tod des Vaters führte er gemeinsam mit seiner Mutter das Geschäft. Nach dem Militärdienst heiratete er im Jahr 1902 Mathilde Apt aus Niederaula und zog nach Göttingen. Dort betrieben Verwandte seiner Frau – Tante Dorette und Onkel Moses – in der Groner Straße 11 ein Manufaktur und Konfektionswarengeschäft. Da sie keine Kinder hatten, konnte Leopold Katz das Geschäft bald übernehmen. Er erwies sich als tüchtiger Geschäftsmann – schon 1905 konnte er das Haus Groner Straße 9 erwerben. Er verlegte das Geschäft und wohnte dort mit seiner Frau und den beiden Kindern Ludolf und Rosa siebenunddreißig Jahre lang bis zum Tag seiner Deportation.
Während des Ersten Weltkriegs diente er vier Jahre lang im deutschen Heer. Nach seiner Rückkehr entwickelte sich das Geschäft weiter und gehörte bald zu den etablierten Bekleidungsgeschäften der Stadt. Ende 1927 erwarb Leopold Katz das Nachbargrundstück Groner Straße 10. Die Gebäude dort wurden mit Nummer 9 verbunden, so dass eine einheitliche moderne Schaufensterfront entstand. Natürlich konnte er ein Geschäft dieser Größe nicht allein betreiben. Von Anfang an arbeitete Ehefrau Mathilde täglich im Geschäft mit, später wurden weitere Mitarbeiter angestellt: ein stellvertretender Geschäftsführer und drei bis vier weitere Beschäftigte, oft auch Lehrlinge aus der erweiterten Familie, die mit im Haus wohnten. Der Chef hatte zwar mit seiner Frau ein Abonnement im Städtischen Theater, war aber abends nach Ladenschluss oft noch lange mit Abrechnung und Geschäftspost beschäftigt.
Gerade setzte nach der Weltwirtschaftskrise langsam eine gewisse Erholung ein, als die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Bei der ersten zentral gesteuerte Boykottaktion gegen jüdische Geschäft am 28. März 1933 wurden auch bei Katz Schaufensterscheiben zerstört, Waren auf die Straße geworfen. In der Folgezeit wurden immer wieder die Scheiben und der Bürgersteig vor dem Haus mit Hassparolen beschmiert. In der Pogromnacht drangen Schlägertrupps ins Haus ein und zerschlugen Einrichtungen in den über dem Laden gelegenen Wohnungen. Das Ladeninventar blieb aber unzerstört – es wurde zwei Tage später mit Lastwagen abgeholt und von der NS-Frauenschaft übernommen. 1939 erwarb der Büchsenmacher August Hüsing das Haus, laut Kaufvertrag durfte das Ehepaar Katz „die bislang von ihnen benutze Wohnung bis zu ihrer demnächstigen Ausreise gegen einen monatlichen Mietzins von 65 RM weiter benutzen.“
Zu dieser Ausreise sollte es nicht mehr kommen. Als alle nötigen Papiere und Tickets für die Überfahrt zu den bereits in New York lebenden Kindern beschafft waren, trat das Auswanderungsverbot in Kraft, und Leopold und Mathilde Katz konnten Göttingen nicht mehr verlassen. Am 26. März 1942 wurden sie deportiert und über Trawniki ins Warschauer Ghetto verbracht. Von dort unterrichtete Leopold Katz seine Kinder noch vom Tod ihrer Mutter, seiner Frau, durch Typhus. Er selbst blieb verschollen.
Text: Dorothea Trittel
Quelle: Gedenkbuch, Bruns-Wüstefeld, Recollections Rose Ibson geb. Katz