Stolpersteine für Familie Asser (Papendiek 26)
Stolpersteine für Familie Asser (Julius, Jenny, Kurt, Lissy und Berta Fernich)
Papendiek 26
verlegt am 17. März 2015
Diese fünf Stolpersteine erinnern an den Kaufmann Julius Asser, seine Ehefrau Jenny Asser geborene Fernich, an Jennys Mutter Bertha Fernich und an die beiden Kinder von Julius und Jenny Asser, Kurt und Lissy.
Julius Asser wurde 1905 in Göttingen geboren, wo sein Vater Cäsar Asser einen kleinen Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen unterhielt. Im Alter von 21 Jahren heiratete Julius die aus Klotten an der Mosel stammende Jenny Fernich, die ein Jahr älter war als er. Das Paar bekam zwei Kinder, im Jahr 1926 den Sohn Kurt und 1927 die Tochter Lissy.
Der Familienalltag der Assers war seit den späten zwanziger Jahren zunehmend von wirtschaftlich beengten Verhältnissen geprägt, innerhalb weniger Jahre musste die Familie viermal umziehen. Seit der Mitte der dreißiger Jahre hatte die Familie, wie die meisten Juden in Deutschland, besonders unter den restriktiven und explizit judenfeindlichen Maßnahmen des Regimes zu leiden; so musste Julius Asser, der in den städtischen Meldeunterlagen als Kaufmann eingetragen ist, sich mehrfach als Hilfsarbeiter einer Tiefbaufirma verdingen.
Als die politische Lage und die wirtschaftliche Situation es der Familie unmöglich machten, ihre Wohnung zu halten, stellte im September 1938 die jüdische Gemeinde einige Räume im Gebäude der Synagoge in der Unteren Maschstraße 13 zur Verfügung. Fünf Wochen später, in der Pogromnacht des 9. November 1938, verlor die Familie durch das Niederbrennen der Synagoge ihre Wohnung mitsamt dem Hausrat und allem Besitz. Eine neue Bleibe fanden die Familie Asser und Bertha Fernich schließlich hier im Haus Papendiek 26.
Eine Woche später mussten der zwölfjährige Kurt und die elfjährige Lissy Asser ihre Schule, die Lutherschule am Ritterplan, verlassen; am 15. November ordnete Bernhard Rust, Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, per Erlass, „mit sofortiger Wirkung“ an: „Juden ist der Besuch deutscher Schulen nicht gestattet. Sie dürfen nur jüdische Schulen besuchen.“ Als Vorwand diente das Attentat Herschel Grynszpans auf den Diplomaten Ernst vom Rath in Paris am 7. November 1938: „Nach der ruchlosen Mordtat von Paris kann es keinem deutschen Lehrer […] mehr zugemutet werden, an jüdische Schulkinder Unterricht zu erteilen. Auch versteht es sich von selbst, dass es für deutsche Schüler unerträglich ist, mit Juden in einem Klassenraum zu sitzen.“
Durch den jüdischen Lehrer Heinz Junger wurde daraufhin für sieben bis zehn jüdische Schüler bis zu den Osterferien 1941 Privatunterricht erteilt, vermutlich im jüdischen Gemeindehaus Weender Landstraße 26. Kurt Asser konnte wahrscheinlich zu Ostern 1940 seine Schulausbildung beenden und hielt sich von April 1940 bis April 1941 in Berlin auf und kehrte dann nach Göttingen zurück, um eine nicht näher bezeugte Tätigkeit als „Lehrling“ auszuüben. Lissy Asser konnte wahrscheinlich bis April 1941 ebenfalls diese jüdische Privatschule besuchen und wohnte anschließend, von ihren Eltern getrennt, für ein halbes Jahr in Kassel in der Rosenstraße 22, wo sich ein jüdisches Waisenhaus und Internat befanden.
Julius und Jenny Asser wurden am 26. März 1942 zusammen mit ihren beiden Kindern, dem 15-jährigen Kurt und der 14-jährigen Lissy sowie deren Großmutter Bertha Fernich von Göttingen aus in den Osten deportiert und ermordet.
Julius und Jenny Asser, ihre Kinder Kurt und Lissy und Jennys Mutter Bertha Fernich haben kein Grab, das Angehörige und Verwandte aufsuchen können. Diese Stolpersteine vor ihrer letzten Göttinger Wohnung sind von jetzt an der wichtigste Erinnerungsort an diese jüdische Göttinger Familie.
(Text: Prof. Dr. Peter Aufgebauer, 17. März 2015)