Stolpersteine für Familie Asser (Obere Maschstraße 10)
Stolpersteine für Familie Asser (Fanny und Cäsar)
Obere Maschstraße 10
verlegt am 10. Februar 2016
Cäsar Asser wurde 1872 in Altona, das seit wenigen Jahren preußisch war, geboren. Über Hannover kam er 1895 nach Göttingen. Er betrieb einen bescheidenen Rohproduktenhandel, der sich vor allem auf Altmetalle erstreckte. Die kleine Firma hatte ihren Sitz im Hinterhof einer Schmiede in der Johannisstraße und bestand im Wesentlichen aus einem alten Schuppen. Da dieses Kleingewerbe nicht zum Lebensunterhalt reichte, arbeitete Cäsar Asser nebenbei seit 1895 auch als Totengräber der jüdischen Gemeinde.
Im Jahre 1898 hatte Cäsar Asser die ebenfalls 1872 geborene Fanny Lipschütz geheiratet, die aus Woidislaw in Polen stammte.
Das Paar bekam vier Kinder, Alexander, Julius, Erna und Paula. Alexander verstarb 1930 in Göttingen, Erna und Paula emigrierten mit ihren Familien 1937/38 nach Südamerika; Julius Asser, seine Frau Jenny und seine Kinder wurden im März 1942 deportiert – an sie erinnern die Stolpersteine vor dem Haus Papendiek 26.
Obwohl Cäsar Asser in seinem Lebensumfeld als fleißiger Mann galt, blieben die Lebensumstände seiner Familie ärmlich. Um 1927, als Cäsar Asser 55 Jahre alt war, trat sein Schwiegersohn Fritz Cohen, der Mann von Cäsar und Fannys Tochter Erna, in das Geschäft ein. Die wirtschaftlichen Verhältnisse zwangen die Familie, innerhalb von dreißig Jahren ein Dutzendmal in Göttingen auf der Suche nach günstigem Wohnraum umzuziehen. Seit 1933 bewohnten sie hier in der Oberen Maschstraße 10 ein bescheiden eingerichtetes Haus der Jüdischen Gemeinde, das auch als Altersheim diente. Als Cäsar Asser 66 Jahr alt war und sein Geschäft 1937 an seinen Schwiegersohn übergeben wollte, lehnte dies die mittlerweile längst nationalsozialistisch ausgerichtete Industrie- und Handelskammer ab, weil Fritz Cohen als Jude und angeblicher Kommunist politisch nicht zuverlässig sei. Schließlich sah sich Cäsar Asser gezwungen, im August 1938 seinen Handel einzustellen und das Geschäft abzumelden. Cäsar und Fanny Asser waren seit Oktober 1938 auf eine monatliche Unterstützung des Städtischen Wohlfahrtsamtes angewiesen, die aber dann wenige Monate später ausblieb, weil die Stadt sämtliche Sozialleistungen an jüdische Bürger einstellte. Mit ihren begrenzten Möglichkeiten sprang die jüdische Gemeinde ein und sicherte notdürftig den Lebensunterhalt auf bescheidenstem Niveau.
Als organisatorische Vorbereitung auf die Deportation in den Osten wurden Cäsar und Fanny Asser im April 1942 zwangsweise in das Judenhaus der Weender Landstraße 26 einquartiert und mit dem zweiten großen Deportationstransport am 21. Juli 1942 zusammen mit etwa 50 noch verbliebenen meist älteren jüdischen Bewohnern Göttingens nach Theresienstadt verschleppt. Dort ist Fanny Asser am 3. Februar 1943 gestorben, Cäsar Asser starb 5 Monate später, am 3. Juli 1943. Beide wurden 71 Jahre alt.
(Text: Prof. Dr. Peter Aufgebauer, 10. Februar 2016)